Porträt von Diana Runge
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Niels C. Fleischhauer

Als Chefarzt die Arbeitszeit reduzieren: mit gutem Beispiel vorangehen

Ich habe nichts gegen Beamte. Sie tun ja nichts”, lautet einer der bekanntesten Beamtenwitze. Deutsche Chefärzte können da nur müde lächeln. Wie viele ihren Humor bewahren, wenn sie nach 70 Wochenstunden – davon 30 Stunden unbezahlt – Feierabend machen, wissen wir nicht. Doch eines steht fest: Diesem Schicksal müssen Sie sich nicht ergeben.

Erfahren Sie in diesem wegweisenden Artikel, wie Sie als Chefarzt beruhigt Ihre Arbeitszeit deutlich reduzieren können. Chefarzt-Coach Diana Runge zeigt Ihnen die Hürden dorthin auf und auch, wie Sie diese meistern. Zudem verraten wir Ihnen, wie Sie ein Haus finden, welches die Reduzierung Ihrer Arbeitszeit als Chefarzt sogar fördert.

Wer bietet mehr?

Dass Chefärzte mit ihrem Gehalt zu den bestbezahlten Berufen Deutschlands gehören, ist kein Geheimnis. Doch gleichzeitig gibt es wohl kaum eine Berufsgruppe, die ein derart großes Arbeitspensum leistet. Manche Kollegen übertreiben es, wie Chefärzte-Coach Runge weiß: “60-70 Stunden pro Woche sind keine Seltenheit. Corona-bedingt hat sich der Arbeitsaufwand zusätzlich erhöht. Ich kenne Chefärztinnen und Chefärzte, die aufgrund von Personalengpässen inzwischen wieder die Dienste regulär mitmachen, um ihre Mitarbeiter zu entlasten.

Mit solch einer umfangreichen Arbeitswoche relativiert sich das gute Gehalt schnell wieder – zumal die geleisteten Überstunden nur selten vergütet werden. Es scheint, als würde Leidensbereitschaft zu den maßgeblichen Voraussetzungen für Chefärzte gehören. Jüngst unterhielt ich mich mit einem Chefarzt, der seither den mir bekannten “Rekord” an Wochenstunden hält: Ganze 96 Arbeitsstunden leistete er binnen sieben Tagen. Ich war mir nicht sicher, ob ich staunen oder ihn bemitleiden sollte. Schließlich war er für 40 Wochenstunden beschäftigt und bekam seine Überstunden nicht bezahlt. Er arbeitete somit fast 60 Prozent der Zeit umsonst. Unter den insgesamt leidensfähigen Medizinern scheinen Chefärzte die höchste Schmerzgrenze zu haben.

Die negativen Folgen

Im Oktober 2017 ergänzte der Weltärztebund einen wichtigen Satz im ärztlichen Gelöbnis: “Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können”, steht dort geschrieben. “Die Praxis sieht vielfach anders aus”, wie Frau Runge berichtet – in besonderem Maße bei leitenden Ärzten. “Die hohe Arbeitsbelastung, Fachkräftemangel, erhöhter Verwaltungsaufwand, Qualitätssicherungsmaßnahmen, Corona-bedingte Ausfälle und organisatorische Anpassungen führen dazu, dass Chefärzte und Chefärztinnen häufiger und länger arbeiten, als gesundheitlich förderlich ist. Wenn es eng wird, werden manche sogar aus ihrem Urlaub zurückgeholt.

Wider besseren Wissens überschreiten viele Chefärzte in Sachen Arbeitszeiten ihre physischen und psychischen Grenzen – häufig, ohne es zu merken. “Die Folge sind Erschöpfung, Burn-out, Depression, ein erhöhtes Suchtrisiko – bis hin zur Suizidgefahr. Darunter leidet nicht nur der Arzt als Person. Oft bekommen auch seine Mitarbeiter eine Gereiztheit zu spüren”, erklärt Ärzte-Coach Runge. Dabei machen die negativen Folgen auch nicht vor dem Privatleben halt: “Besonders schlimm ist es für die Familie, für die er entweder keine Zeit mehr findet, oder sich zu müde, leer und ausgebrannt fühlt, um gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen.

Als Chefarzt die Arbeitszeit reduzieren – ein steiniger Weg, der sich lohnt

Ihre Gesundheit ist Ihnen wichtig? Sie möchten Ihre Kinder gerne mal wieder im wachen Zustand sehen? Einige Ihrer Hobbys benötigen Tageslicht? Das ist wunderbar; denn das bedeutet, dass Sie ein echtes, emotionales Motiv haben – gute Gründe, um als Chefarzt Ihre Arbeitszeit zu reduzieren sowie das Arztsein und das Familienleben zu vereinbaren. Doch “dieser Weg wird kein leichter sein”, wie es schon in einem bekannten Lied heißt.

Zunächst brauchen Sie “Verhandlungsgeschick, Überzeugungskraft und eine klare Vorstellung von den eigenen Zielen und Lebensvorstellungen”, stellt Frau Runge fest. Andernfalls würde es schwierig werden, Ihr angestrebtes Wochenpensum beim Arbeitgeber durchzusetzen. Werden Sie sich außerdem bewusst, dass sich im Erfolgsfall die inhaltliche Gewichtung der einzelnen Arbeitsstunde verschieben wird: “In dem Moment, in dem Sie die Arbeitszeit reduzieren, haben Sie oft noch weniger Zeit für die Patienten, denn die verwaltenden Aufgaben bleiben unverändert”, gibt Frau Runge zu bedenken. Auch der wirtschaftliche Ertrag Ihrer Klinik kann stagnieren oder sinken – etwa, wenn Ihr Personal nach Köpfen gezählt wird und Sie Ihre entfallende Arbeitszeit nicht durch nachgeordnete Ärzte kompensieren können.

Neben den sichtbaren Herausforderungen können sich auch mentale Hürden ergeben. “Wer soll’s denn sonst machen? Wie stehe ich vor meinen Oberärzten da, welche alle mehr als ich arbeiten? Ist das nicht das Ende meiner Karriere als Mediziner” Dies sind typische Fragen von Führungskräften, wenn sie ihre Arbeitszeit verkürzen wollen. Auch Neid “oder ‘mitleidige Blicke’ von Kollegen”, wie es Klienten von Ärzte-Coach Runge schildern, sind häufige Befürchtungen. Werden Sie sich unbedingt bewusst, dass viele Hürden wirklich nur in Ihrem Kopf bestehen. Sobald Sie den Schritt gehen und als Chefarzt Ihre Arbeitszeit reduzieren, werden Sie sich wundern, wie klein viele Gefahren in Wirklichkeit sind.

Beispiele zeigen: Teilzeit-Chefarzt im Trend

Klären Sie für sich selbst die Frage: Wollen Sie Ihre Arbeitszeit als Chefarzt von 70 Wochenstunden auf 40 Stunden reduzieren beziehungsweise begrenzen; oder streben Sie gar eine ärztliche Teilzeittätigkeit an? “Teilzeitarbeit fängt zuerst bei einem selbst an”, beschreibt Frau Runge die Ausgangslage. Machen Sie sich klar, dass Sie sogar einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit geltend machen können. Work-Life-Balance gibt es in Krankenhäusern nicht nur für nachgeordnete Mediziner. “Jeder Chefarzt kann z. B. auch mit vier Tagen in der Woche eine exzellente Tätigkeit ausüben – unabhängig von Land und Art der Klinik. Die Unternehmenskultur und die Einstellung der Klinikleitung spielen hierbei eine große Rolle.

In der Schweiz ist es längst üblich, dass leitende Mediziner wie Chefärzte 80 Prozent einer Vollzeitstelle ausfüllen. Doch auch in Deutschland ist ein Wandel erkennbar. Zunehmend etablieren sich auch für Chefärzte innovative Arbeitszeitmodelle in Krankenhäusern. So hat jüngst etwa das Klinikum Frankfurt/Oder eine Chefarztposition für Augenheilkunde in Teilzeit ausgeschrieben (siehe Bild): “Zugleich bieten wir flexible Arbeitszeit mit der Möglichkeit einer 4-Tage Woche [sic].” Diese und ähnliche Fälle zeigen, dass man als Chefarzt in Teilzeit arbeiten kann.

Stellenausschreibung als Chefarzt in Teilzeit
Stellenausschreibung des Klinikums Frankfurt/Oder für einen Chefarzt in Teilzeit

Daneben werden zunehmend alternative Führungsmodelle für Kliniken entwickelt, wie Ärzte-Coach Runge feststellt: “Neuerdings gibt es vermehrt Ansätze, eine volle Chefarzt-Position in einer Doppelspitze zu besetzen. In diesem Jahr stellte die Klinik Berlin-Neukölln ihre zwei Chefärztinnen vor, die sich in Teilzeit die Führungsposition teilen. Auch die ‘Evangelische Elisabeth-Klinik’ besetzte die Position in der Inneren Medizin ebenfalls mit zwei Chefärztinnen.” Darüber hinaus gelinge es zunehmend, mit einem “lebensphasenorientierten Arbeitszeitmodell” die Arbeitszeiten der Chefärzte flexibel an deren Lebenssituation anzupassen.

Es ist Ihr Weg

Ja, Sie können als Chefarzt Ihre Arbeitszeit verkürzen; aber wollen Sie das auch? Dies ist die entscheidende Frage. Eines ist klar: Nicht jeder wird mit Ihrem Weg einverstanden sein. Doch es ist Ihr Weg. Sobald Sie sich darüber klar werden, wofür beziehungsweise für welche Menschen Sie beruflich kürzertreten möchten, wird die Entscheidung leichter werden. Das Gleiche gilt auch, falls Sie noch kein Chefarzt sind und dies erst werden wollen – etwa, wenn Sie als Mutter und Chefärztin Arztberuf sowie Familie vereinbaren und daher in Teilzeit anfangen wollen. “Wenn ich mir selber vorstellen kann, dass Teilzeitarbeit und Chefarzt-/Chefärztin-Tätigkeit sich vereinen lassen, und die Vorteile gegenüber den Herausforderungen überwiegen, finde ich einen Weg und eine Lösung”, verdeutlicht Frau Runge ihre Erfahrungen aus dem Coaching.

Zudem brauchen Sie Ihren Weg nicht alleine zu gehen. Chefärzte-Coaches wie Frau Runge begleiten Sie dabei. Auch die Wahl des richtigen Arbeitgebers kann Ihnen den Schritt zur Reduzierung Ihrer Arbeitszeit enorm vereinfachen; denn Sie können sich vorstellen: Kliniken reagieren durchaus unterschiedlich. Wir zeigen Ihnen, wo Sie ein Haus finden, welches Ihren neuen Weg fördert. Wir wollen, dass Sie Ihren Arztberuf lieben. Erfahren Sie jetzt mehr.

Porträt von Diana Runge
Ob Fachkräftemangel, wirtschaftlicher Druck oder Zeitknappheit – Diana Runge (auch bekannt als “Ressourcen-Detektivin”) coacht Chefärzte erfolgreich zu verschiedenen Themen. Sie hat über 20 Jahre Führungs- und Projekterfahrung in Mitarbeiterführung und -entwicklung, Risiko- und Qualitätsmanagement. Weitere Informationen finden Sie auf ihrer Website.

Über den Autor

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Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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