Porträtfoto von Dr. Lars Lomberg
Niels C. Fleischhauer

Niels C. Fleischhauer

Der ärztliche Hintergrunddienst – und wie Sie ihn meistern

Was ist das Letzte, das Sie und Ihre Begleitung brauchen, während Sie samstagabends einen guten Rotwein beim Lieblingsitaliener genießen? Es ist der überforderte Anruf des jungen Kollegen aus dem Vordergrunddienst. Damit Ihnen das nicht passiert, habe ich mir den weisen Rat des Hintergrund-erfahrenen Internisten und Unternehmensgründers Dr. Lars Lomberg eingeholt.

Lesen Sie hier alles Wichtige, um als Arzt den Hintergrunddienst souverän zu bestehen. Erfahren Sie, welchen Tätigkeiten Sie währenddessen nachgehen können und welche Sie besser bleiben lassen. Außerdem werde ich Ihnen attraktive Wege vorstellen, wie Ärzte ohne Rufbereitschaft arbeiten können.

Besonderheiten des ärztlichen Hintergrunddienstes

Wenn Ärzte zu dem Hintergrunddienst, der Rufbereitschaft oder dem Rufdienst herangezogen werden, ist stets das Gleiche gemeint: die Bereitschaft eines erfahrenen Arztes, telefonisch oder per Piepser für den weniger erfahrenen Kollegen im Vordergrund zur Verfügung zu stehen. Dabei dürfen Sie als Arzt im Hintergrund Ihren Aufenthaltsort zwar selbst bestimmen; Sie verpflichten sich aber, innerhalb eines festgelegten Zeitraums – der “Rufzeit” – am Arbeitsort – in der Regel einer Klinik – einzutreffen.

Eine etwaige Verpflichtung zur Rufbereitschaft ergibt sich für Ärzte aus dem Arbeits- beziehungsweise Tarifvertrag. Solange Sie nicht gerufen werden, gilt diese Zeit arbeitsrechtlich als Ruhezeit. Im anderen Fall wird Ihre Arbeitszeit als Bereitschaftsdienst vergütet.

Der Bereitschaftsdienst, bei welchem sich Ärzte an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort – meist einem Krankenhaus – befinden, ist vom Rufdienst abzugrenzen. Hierbei können Sie Ihre Zeit nicht frei gestalten, also weder mit Freunden, Familie noch Hobbys verbringen. Daher ist der ärztliche Bereitschaftsdienst auch deutlich höher vergütet als der Hintergrunddienst. Die unscharfe Trennung zwischen den einzelnen Dienstarten gestaltet sich oft als problematisch, wie wir noch erfahren werden.

Aufgaben und Verantwortung

Als Arzt im Hintergrunddienst fungieren Sie gewissermaßen als fachlicher Rückhalt desjenigen Kollegen, der zeitgleich im Vordergrund arbeitet. Dieser verfügt im Regelfall über weniger Berufserfahrung als Sie. Häufig werden die Hintergrunddienste von Oberärzten übernommen.

Insbesondere die ersten ärztlichen Nachtdienste bereiten dem jungen Assistenzarzt Stress. Stößt er währenddessen auf besondere Schwierigkeiten oder kann eine medizinische Situation nicht bewältigen, so wird er Sie anrufen. Auf diese Weise helfen Sie dabei, den Facharztstandard zu gewährleisten; denn ein Assistenzarzt darf nur begrenzt alleine arbeiten. Doch es gibt noch weitere Gründe: “In der ZNA wurden die OÄ immer dann gerufen, wenn es entweder einen hohen Workload gab, den der Vordergrund alleine nicht bewältigen konnte oder im Falle taktischer Querelen mit anderen Fachdisziplinen, um ein Machtwort zu sprechen”, berichtet der Internist Dr. Lomberg von den Erlebnissen aus seinem Fachbereich. 

Es ist keineswegs so, dass im Rufdienst befindliche Oberärzte stündlich angeklingelt werden. “Bei meiner Arbeit war das hereingerufen werden eher selten. Vielleicht einmal auf acht Dienste. Im Hintergrund einer Notaufnahme kann man viele Sachen auch organisatorisch von zuhause aus regeln”, beruhigt Herr Dr. Lomberg. Je nach Fachrichtung könne die Quote auch anders ausfallen. Falls dieser seltene Fall dann doch eintritt, ist die weitere Tagesplanung mitunter gelaufen. Dann könne man sich zumindest in seinem Fachbereich “auf einige Stunden zusätzliche Arbeit einstellen, in der die ‘aufgestaute Patientenlast’ abgearbeitet” werde, stellt er klar. Daher ist es hilfreich, wenn Sie als Arzt im Hintergrunddienst mit jedem neuen Vordergrund-Kollegen vor dessen Dienstantritt das Gespräch suchen.

Zusammenarbeit mit dem Arzt im Vordergrund

Eine vertrauensvolle und abgestimmte Vorbereitung zwischen dem Arzt im Vordergrund und Ihnen in der Rufbereitschaft erleichtert die Zusammenarbeit wesentlich. Dem Internisten Dr. Lomberg zufolge sei es wichtig, “mit dem Vordergrund gut zu kommunizieren, Entscheidungswege auch telefonisch zu bahnen, um so eine solche Überforderungssituation beim Vordergrund erst gar nicht aufkommen zu lassen.” Am besten versetzen Sie sich zurück, wie es Ihnen in Ihrem ersten Nachtdienst als Assistenzarzt erging. Was hat Ihnen damals am meisten geholfen?

An weitere Kompetenzen und Tipps können Sie unter anderem in speziellen Kursen kommen. Beispielhaft sei hier der Anbieter notfallmedizinkurs.de genannt, welcher von Herrn Dr. Lomberg mitgegründet wurde. Die Kursinhalte stammen von erfahrenen Vordergrund- sowie Hintergrund-Ärzten und sollen deren Zusammenarbeit verbessern.

Was können Ärzte während des Rufdienstes machen?

Kehren wir zurück zur Flasche Rotwein am besagten Samstagabend. “Man sollte sich niemals irgendwohin begeben, von wo dann andere Mitfahrer nicht mehr zurückkommen, wenn man in die Klinik muss”, rät Internist Dr. Lomberg. “Man sollte sich gut überlegen, ob man in ein Theater oder Konzert geht, wo man vielleicht nicht gut erreichbar ist und wo Karten teuer sind”. Vor allem aber sollte man nüchtern bleiben. Insofern wäre die Abendplanung aus diesem Beispiel nicht ideal.

Am besten bleiben Sie während der ärztlichen Rufbereitschaft im Umfeld der Klinik. Je weiter Sie sich davon entfernt befinden, desto schneller sollte ein Fahrzeug zur Verfügung stehen. “Insofern bleiben zumeist nur Abendessen zuhause oder mit Freunden oder andere Dinge, die man alleine oder mit Familie zuhause macht”, fasst Herr Dr. Lomberg zusammen.

Vergütung und andere Streitthemen

Der ärztliche Rufdienst ist schlechter bezahlt als der Bereitschaftsdienst. Viele Krankenhäuser vergüten ihre Ärzte im Hintergrunddienst mit einer Pauschale im niedrigen dreistelligen Bereich. An Wochenenden und Feiertagen gibt es Zuschläge. Wegezeiten hingegen werden grundsätzlich gar nicht vergütet. Mir wird häufig vom Druck berichtet, die Menge geleisteter ärztlicher Hintergrunddienste nicht aufzuzeichnen, um vermeintlich die Karriere nicht zu gefährden. Dieses Vorgehen ist mancherorts also ähnlich wie die löchrige Dokumentation von angefallenen Überstunden.

Einige Kliniken versuchen mit Tricks, eine bestehende Tariflücke auszunutzen. Sie ordnen Ärzten viele (günstige) Hintergrunddienste an, um hierdurch Personal bei den (teureren) Bereitschaftsdiensten zu sparen. Die Folge ist nicht zuletzt, dass Ärzte im Vordergrund fehlen. Stattdessen werden Sie – und das sollte laut Tarifvertrag eigentlich nur ausnahmsweise vorkommen – sehr oft im Hintergrunddienst gerufen.

Auch die angemessene Rufzeit bildet einen wiederkehrenden Streitpunkt vor Gerichten. Diese Zeitspanne liegt meist bei 30 Minuten. Darüber hinaus werden viele Ärzte vom Arbeitgeber aufgefordert, eine zusätzliche Regelung zu unterzeichnen. Gemäß dieser Ergänzung verpflichten sie sich, innerhalb von “30 Minuten am Patienten” zu sein. Die Folge ist: Aufgrund der Größe mancher Krankenhäuser können sich Oberärzte im Hintergrunddienst faktisch nur in der Klinik oder deren direktem Umfeld aufhalten. Der Marburger Bund hält diese Praxis für unzulässig, führt sie doch wieder zu einem Bereitschaftsdienst durch die Hintertür.

Allerdings gilt in Deutschland zwischen den Vertragsparteien die Tarifautonomie, in welche deutsche Arbeitsgerichte nicht eingreifen dürfen. Für Ärzte bleibt daher nur die Möglichkeit, tarifwidrig angeordnete Rufbereitschaften zu verweigern oder sich an den Betriebsrat zu wenden. Als letztes Mittel sollte man als Arzt die Kündigung erwägen. Schließlich gibt es immer noch genügend ehrlich Arbeitgeber und alternative Berufsfelder für Ärzte

Keine Lust auf die ärztliche Rufbereitschaft?

In welchem Licht sehen Sie den ärztlichen Hintergrunddienst? Starren Sie unentwegt auf Ihr Telefon? Wünschen Sie sich als Arzt eine bessere Work-Life-Balance? Möchten Sie Ihr Privatleben freier planen? Vielleicht ist für Sie ein anderer Job ohne ärztliche Rufdienste viel besser geeignet – etwa eine ambulante Weiterbildung, eine Tätigkeit in der Telemedizin oder eine Privatpraxis ohne Facharzt.

Für Herrn Dr. Lomberg war nach rund 100 Hintergrunddiensten Schluss. Er gründete eine vertragsärztliche Praxis und weitere Unternehmen. Wir wollen, dass auch Sie Ihren Arztberuf lieben. Eine Kollegin mit mehr als zwölf Jahren Coaching-Erfahrung unterstützt Sie dabei, Ihr Berufsfeld ohne ärztliche Rufdienste zu finden – eines, mit dem Sie dauerhaft glücklich sind. Hier können Sie sich Ihren Termin für das Ärzteglück-Coaching reservieren.

Porträtfoto von Dr. Lars Lomberg
Dr. Lars Lomberg ist Facharzt für Innere Medizin bei der internistisch-allgemeinmedizinischen Praxis EppenDocs aus Hamburg. 2020 gründete er zusätzlich das Start-up Doktrack, welches sich einer neuen Form der Arzt-Patienten-Kommunikation verschrieben hat. Außerdem ist er gemeinsam mit einem Kollegen Inhaber von DigaDocs, welches sich mit der Bewertung von digitalen Gesundheitsanwendungen beschäftigt.

Über den Autor

Niels C. Fleischhauer

Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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