Porträt von Ärzte-Coach Ute Zander-Schreindorfer
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Niels C. Fleischhauer

Mobbing unter Ärzten im Krankenhaus: Befreien Sie sich!

Als wäre der Krankenhausalltag nicht schon anstrengend genug, machen einige ärztliche Kollegen das Leben einander zusätzlich schwer. Mobbing im Gesundheitswesen betrifft längst nicht nur Pflegekräfte oder Assistenzärzte. Auch medizinische Führungskräfte leiden darunter.

In diesem wichtigen Beitrag erfahren Sie, dass Mobbing unter Ärzten im Krankenhaus leider weiter verbreitet ist als gemeinhin angenommen. Doch Psychologin und Ärzte-Coach Ute Zander-Schreindorfer verrät Ihnen, was Sie als Betroffener unternehmen können. Nicht zuletzt lernen Sie, zu erkennen, in welchen Kliniken Mobbingstrukturen unter Ärzten vorherrschen.

Mobbing unter Ärzten weit verbreitet

Ich möchte einen kleinen Hinweis vorwegstellen. In diesem Artikel verstehen wir unter “Mobbingnicht den Straftatbestand; vielmehr meinen wir das systematische seelische Schikanieren, Quälen und Verletzen.

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Mobbing unter Ärzten war lange Zeit ein Tabuthema, welches wissenschaftlich nicht untersucht wurde. Nur hin und wieder ließen Erfahrungsberichte erahnen, wie sehr das Thema Medizinern unter den Nägeln brennt. So befragte etwa das Deutsche Ärzteblatt im Jahre 2001 seine ärztlichen Leser nach ihren Mobbingerfahrungen im Krankenhaus: “In der Tat fühlen sich viele Krankenhausärztinnen und -ärzte von ihren Kollegen gemobbt, diffamiert und ausgegrenzt. Dies belegt die große Resonanz auf einen vergleichsweise kleinen DÄ-Beitrag, der dazu aufgerufen hatte, der Redaktion Erfahrungsberichte aus dem Krankenhausalltag zu übermitteln (DÄ 50/2000).

Ob abwärts, horizontal oder aufwärts – die zahlreichen Rückmeldungen auf die Befragung ließen aufhorchen. Es stände beispielsweise das sogenannte “Rudelmobbing” an der Tagesordnung; “das heißt, der Chef und andere Ärzte oder Teile des Personals mobben als Gruppe einen Kollegen. Zahlenmäßig besonders betroffen sind Assistenzärzte und junge Fachärzte.” Weiter fasste das medizinische Fachmagazin zusammen: “Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen, Angriffe auf soziale Beziehungen, Auswirkungen auf das soziale Ansehen, Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation, Angriffe auf die Gesundheit – die Liste der geschilderten Mobbing-Aktionen ist lang. Dabei ist es vor allem das Regelmäßige und Systematische der Angriffe, das den Opfern zu schaffen macht.” Demzufolge hätten insbesondere Assistenzärzte zu leiden: “Ein geeignetes Druckmittel, um Assistenzärzte gefügig zu machen, ist das ‘operative Kaltstellen’. Denn die Notwendigkeit bestimmter Operationen für die Anmeldung zur Facharztprüfung macht die Ärzte in Weiterbildung in vieler Hinsicht erpressbar. Weit verbreitet ist auch die Gepflogenheit, die jungen Ärzte mit Routineaufgaben zu überhäufen oder mit Diensten zu überfordern, sodass für andere Tätigkeiten keine Zeit mehr bleibt. Neben dem Operieren kommt dann auch die wissenschaftliche Arbeit zu kurz.

Es ist fraglich, inwiefern sich die Lage während der vergangenen 20 Jahre verbessert hat. Strukturelle Entwicklungen wie die Privatisierung des Gesundheitswesens, der demografische Wandel samt Ärztemangel oder die Corona-Krise dürften keine Entspannung bringen. Ähnliches stellte zumindest die britische StudieWorkplace bullying and harassment of doctors” 2016 fest, als sie die Arbeitsbedigungen im staatlichen Gesundheitssystem untersuchte. Demnach gaben 22 Prozent der Ärzte und Zahnärzte an, in den letzten 12 Monaten Belästigung, Missbrauch oder Mobbing durch Kollegen erfahren zu haben. Nur ein Drittel der Betroffenen habe den Arbeitgeber davon unterrichtet. In Deutschland würden die Resultate wohl nicht fundamental anders ausfallen.

Kultur der Angst und des Misstrauens” als Nährboden für ärztliches Mobbing

Laut Frau Zander liegt im Regelfall keine bewusste Absicht eines Arztes vor, einen Kollegen zu mobben. Mobbing unter Ärzten sei vielmehr hauptsächliche Folge mangelnder Kompetenzen zur Beilegung von Konflikten. “Ein Arzt – eventuell auch ein Ober- oder Chefarzt – bringt zwar eine große Fachlichkeit mit, ist aber zwischenmenschlich nicht in der Lage, lösungsorientiert und konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Betrifft das die ganze Klinik, so spreche ich von einer ‘Kultur der Angst und des Misstrauens’”, erklärt die Psychologin. “Genau dann wächst und gedeiht Mobbing, ohne dass die Beteiligten das eigentlich beabsichtigen und ohne dass es ihnen bewusst ist.

Ein Mittel zur Schaffung eines Bewusstseins für Mobbing im Gesundheitswesen stelle der Dialog mit Mitarbeitern dar; doch “Mitarbeitergespräche finden gar nicht, selten oder unstrukturiert statt; oder sie werden nicht ernst genommen und finden nur ‘der Form halber statt’. Aus Zeitgründen fallen sie oft aus”, bemängelt Frau Zander. Doch das ist schade; denn “Mitarbeitergespräche sind die besten Gelegenheiten, um in aller Ruhe – bevor Konflikte entstehen – sich auszutauschen, Erfolge und Schwierigkeiten zu besprechen und wieder Vertrauen zueinander zu fassen.

Darüber hinaus attestiert Ärzte-Coach Zander vielen leitenden Ärzten mangelnde Führungskompetenzen: “Leitende Oberärzte werden nicht in puncto Führung geschult. In vielen Kliniken spielen Führungskompetenzen immer noch eine Nebenrolle. Das Fachliche steht unangefochten im Vordergrund. So wird die Kultur und Dominanz der ‘Sachebene’ gefördert, die Weiterentwicklung sozialer Kompetenzen vernachlässigt. Ohne es zu wollen, werden somit Führungskulturen gefördert, die keinen konstruktiven Umgang mit sozialen Konflikten kennen.

Mobbing unter ärztlichen Führungskräften

Mobbing im Krankenhaus beschränkt sich unter Ärzten beileibe nicht auf die niedrigen Hierarchieebenen. Auch Mediziner in Leitungsfunktionen haben mitunter damit zu kämpfen. Gemäß Frau Zander sei dies häufig auf einen fehlenden Fremdbild-Abgleich zurückzuführen: “Je höher und verantwortungsvoller die Position, desto weniger ehrliches Feedback bekommt man. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, blinde Flecken zu entwickeln. Diese wiederum sind oft Quellen von Konflikten, die deswegen nicht offen und konstruktiv ausgetragen werden, weil keiner sich traut, dem Chef die Wahrheit zu sagen.

Erschwerend kommt hinzu, dass leitende Ärzte oftmals fortgeschrittenen Alters sind. Während betroffene Assistenzärzte meist rasch eine neue Anstellung finden, gestaltet sich dies bei älteren Kollegen als schwierig. “Am tragischsten trifft es ältere Oberärzte, die sich nicht mehr niederlassen können und zu alt für eine neue Stelle sind. Kompetenzgerangel und fachliche Diskussionen sind ausschlaggebend dafür, dass der neue Chef sie nicht mehr will. Die Verwaltung versucht sie kostengünstig loszuwerden. Eine fristlose Kündigung lässt sich jedoch nur dann rechtfertigen, wenn dem Arzt ein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann”, schildert das Deutsche Ärzteblatt die Problematik.

Schlecht gelöster Konflikt”: Fallbeispiel von Mobbing unter Oberärzten

Vor Kurzem hat Ärzte-Coach Zander einen eindrücklichen Fall von Mobbing unter Oberärzten im Krankenhaus begleitet: “Ich habe letztes Jahr einen Oberarzt beraten, der extra vom Chefarzt aus einer anderen Klinik abgeworben wurde. Ihm wurden attraktive Aufstiegsmöglichkeiten und ein gutes Arbeitsklima sowie ein interessantes Arbeitsfeld versprochen. Der Kollege merkte recht schnell, dass sein Vorgesetzter zwar eloquent und dominant auftreten konnte, aber sich wenig um das Geschehen hinter den Kulissen kümmerte. Oft im Stress und impulsiv reagierend, kritisierte er gerne vor den Kollegen – entweder bei der Visite oder auch im großen E-Mail-Verteiler.

“Mein Kunde – bereits ‘gebranntes Kind’ – war von nun an auf der Hut und suchte im Coaching nach Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen und sich im kollegialen Umfeld gut zu integrieren. Wir analysierten die Arbeitssituation dahingehend, dass eine Art Lagerbildung vorzufinden war. Lager A und Lager B bekämpften sich. Ein Teil der Kollegen versuchte ständig, die anderen schlecht vor dem Chef dastehen zu lassen. Es war üblich, Fehler möglichst zu vertuschen, um nicht vor allen bloßgestellt zu werden.”

Mein Kunde versuchte nun mehrfach, mit seinem Chef das Problem und die Situation zu besprechen, um endlich einen Anknüpfungspunkt für das erhoffte gute Betriebsklima zu finden. In den Gesprächen bekam er mehr und mehr den Eindruck, dass sein Vorgesetzter nicht bereit war, die Leitungs- und Kommunikationsthemen offen und konstruktiv zu besprechen. Stattdessen versuchte er, ihn auf seine Seite zu ziehen, indem er über andere Kollegen ‘lästerte’. Meinem Kunden waren diese Gesprächssituationen sehr unangenehm. Gleichzeitig sah er keine andere Möglichkeit, auf die Situation Einfluss zu nehmen, als immer wieder das Gespräch mit dem Chefarzt zu suchen. Er versuchte immer und immer wieder, Vereinbarungen zu finden, um gemeinsam mit ihm an einem Strang zu ziehen und merkte, dass sein Chef sich nicht an diese Vereinbarungen hielt.

Irgendwann merkte er, dass sein Chef den Gesprächen auswich. Nach einigen Monaten ergab es sich zufällig, dass er mit einem Oberarzt einer anderen Station sprach. Es sei ein offenes Geheimnis, dass der Chef die eigentliche Ursache für die hohe Fluktuation sei. Enttäuscht nahm er nach neun Monaten seinen Hut und reichte die Kündigung ein.

Was Sie gegen Mobbing unter Ärzten unternehmen können

Nicht alle Fälle enden mit der Kündigung des Betroffenen. Es gibt viele Situationen, in welchen Coaching oder Mediation gegen Mobbing im Gesundheitswesen oder bei dessen Vorbeugung geholfen haben. Psychologin Zander rät daher zu bestimmten Vorgehensweisen und Methoden, um erfolgreich gegen Mobbing vorgehen zu können:

  • Ihre Ziele und Interessen offen ansprechen
  • Ziele und Interessen anderer respektieren
  • Sach- und Beziehungsebene voneinander trennen
  • Vereinbarung und Einhaltung von “Spielregeln” der Zusammenarbeit
  • Wachsamkeit bezüglich des Totschweigens von Konflikten
  • Bereits beim ärztlichen Vorstellungsgespräch nach Prinzipien, Regeln und konkreten Beispielen der konstruktiven Zusammenarbeit im Krankenhaus fragen – auch in Sachen Lösung einer schwierigen Situation
  • Die eigenen Erwartungen offen kommunizieren
  • Professionelle Hilfe eines Mediatoren hinzuziehen, wenn nötig
  • Notfalls den Arbeitsplatz wechseln

Woran Sie eine Abteilung mit schlechtem Arbeitsklima erkennen

Abteilungen, in welchen ein toxisches Arbeitsklima herrscht, sollten Sie im besten Fall meiden. Doch wie können Sie bereits frühzeitig erkennen, ob und in welcher Form dort Mobbing existiert? Ich rate Ihnen dazu, bereits vor dem Bewerbungsgespräch eine Netz-Recherche zu negativen Artikeln, möglichen Mitarbeiterforen oder dem Chefarzt durchzuführen.

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Vor Ort – etwa im Rahmen einer Hospitation – empfehle ich, den Umgang der Kollegen untereinander zu beobachten und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Schauen Sie, wie die Kollegen übereinander sprechen. Wie verhalten Sie sich beim gemeinsamen Arbeiten? Welche negativen Kommentare fallen? Auf diese Weise können Sie Mobbing im Gesundheitswesen am ehesten ausmachen. Und wenn sich die Situation ergibt, stellen Sie folgende Fragen:

  • Wie war die Fluktuation unter den Ärzten während der vergangenen drei Jahre?
  • Wie beschreiben die Kollegen den Führungsstil des Chefarztes?
  • Welcher Kollege ist angesehen oder wird geschätzt – und warum?
  • Welcher Kollege ist weniger angesehen oder wird weniger geschätzt – und warum?
  • Welche gemeinsamen Aktivitäten außerhalb der Klinik gibt es?
  • Bestehen Generationskonflikte oder kulturelle Schwierigkeiten?

Klinik mit gutem Arbeitsklima finden

Mobbing unter Ärzten im Krankenhaus ist auch heute noch ein Tabuthema. Doch Beiträge wie diese sollen Kliniken wie Mediziner aufrütteln. Ob betroffen oder nicht – nehmen Sie Mobbing ernst. Oftmals entwickelt es sich schleichend; und plötzlich sind Sie oder Ihre Kollegen darin gefangen. Mit den oben genannten Tipps können Sie frühzeitig auf Mobbing-Signale achten und Schritte dagegen unternehmen.

Dieser hilfreiche Artikel kommt für Sie zu spät, meinen Sie? Sie leiden bereits unter Mobbing oder warten schon lange auf den Befreiungsschlag? Dann sollten Sie sich das Ärzteglück-Coaching anschauen. Dabei unterstützt Sie eine promovierte Kollegin mit zwölf Jahren Berufserfahrung. Damit Sie (wieder) glücklich im Arztberuf werden. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Wir wollen, dass Sie Ihren Arztberuf lieben. Akzeptieren Sie nicht den Status quo und werden Sie tätig – am besten noch heute.

Porträt von Ärzte-Coach Ute Zander-Schreindorfer
Ute Zander-Schreindorfer ist Psychologin, Mediatorin und Ärzte-Coach. Als Geschäftsführerin von ZS Consult sensibilisiert sie Kliniken und Führungskräfte für das Thema Mobbing im Krankenhaus und unterstützt Betroffene bei der Bewältigung. Mehr Informationen und einen Kontakt zu Frau Zander finden Sie auf der Website von ZS Consult.

Über den Autor

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Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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