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Niels C. Fleischhauer

Praxisübernahmevertrag: 8 wesentliche Punkte, die Sie unbedingt regeln sollten

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie bezahlen einen sechsstelligen Betrag für die Übernahme eines Kassensitzes, welcher Ihnen anschließend jedoch vom Zulassungsausschuss verweigert wird. Eine Horrorvorstellung? Sicher. Und vermeidbar? Absolut. Jedenfalls dann, wenn Sie die nützlichen Erkenntnisse dieses Artikels beherzigen.

Hier erfahren Sie, warum ein wohlformulierter Praxisübernahmevertrag so wichtig ist. Dr. Jonathan Ströttchen – Fachanwalt für Medizinrecht – klärt auf, welche rechtlichen Fallstricke Sie bei Ihrer Praxisübernahme umgehen sollten. Überdies erhalten Sie einen Geheimtipp, wo Sie ganzheitliche Unterstützung für Ihr Gründungsvorhaben erhalten – von der Praxisplanung über die Liquiditätsvorschau bis hin zur Optimierung des laufenden Betriebs. Damit Ihre Praxisübernahme ein Grund zum Feiern wird.

Was ist ein Praxisübernahmevertrag?

Ein Praxisübernahmevertrag ist ein Kaufvertrag für eine Arztpraxis. Er regelt die Übertragung der materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände. “Das betrifft etwa die Praxiseinrichtung und die medizinischen Geräte als sog. Substanzwerte. Aber auch den sog. ‘Good Will’ – also den ideellen Wert der Praxis als Unternehmen, der sich aus Faktoren wie der Lage, der Praxisstruktur, der Dauer und dem Umfang der bisherigen Tätigkeit des Praxisinhabers ergibt”, konkretisiert Medizinrechtler Dr. Ströttchen.

Neben den Gegenständen befasst sich ein Praxisübernahmevertrag auch mit bereits bestehenden Verträgen aufseiten des Verkäufers. Vieles – etwa, was mit den Mitarbeitern bei der Praxisübernahme geschieht – steht bereits fest. “Beim Praxispersonal ist dies schon gesetzlich geregelt: Die Arbeitsverhältnisse gehen auf den Übernehmer über. Zentral ist daneben die Übernahme des zumeist bestehenden Mietvertrages über die Praxisräumlichkeiten. Wichtig sind auch die sonstigen Praxisverträge – also etwa Telefonanschlüsse, ggf. die Website inkl. Domain und IT-Verträge”, fährt Herr Dr. Ströttchen fort.

Der KV-Sitz selbst kann übrigens kein Bestandteil eines Praxisverkaufs und folglich eines entsprechenden Praxisübernahmevertrags sein. Rechtsanwalt Dr. Ströttchen räumt mit einem weitverbreiteten Irrglauben auf: “Der Kassensitz – also die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung – wird durch den zuständigen Zulassungsausschuss erteilt.” Vielmehr komme dem Praxisübernahmevertrag – bezogen auf den Vorgang des Praxisverkaufs – eine andere Rolle zu: “Vereinbarungen darüber zu treffen, wie dieses Verfahren betrieben werden kann und den Übernehmer auch für den Fall abzusichern, dass es hier zu Problemen kommt.

“No risk, no fun”?

Manche Mediziner halten den Praxisübernahmevertrag in ihrem Fall für überflüssig – weil sie möglicherweise schon mehrere Niederlassungen übernommen werden und bisher alles gutgegangen ist. Was viele dabei nicht wissen: Das Zustandekommen eines Vertrags ist nicht an die Schriftform gebunden. Er kann auch mündlich abgeschlossen werden, wie Herr Dr. Ströttchen erklärt: “In dem Moment, wo Abgeber und Übernehmer sich – und sei es nur per Handschlag – auf die Übernahme der Praxis unter konkreten Umständen einigen, kommt ein Praxisübernahmevertrag zustande. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob ich einen Praxisübernahmevertrag brauche; den schließe ich nahezu immer ohnehin ab; es stellt sich vielmehr die Frage, ob ich sicher sein will, was drin steht und dass der Inhalt im besten Fall auch meinen Interessen gerecht wird.

Weiters gibt es Kollegen, die zwar einen schriftlichen Praxisübernahmevertrag nutzen, hierfür aber auf frei verfügbare Muster zurückgreifen. Eine einfache Google-Suche fördert jede Menge Vorlagen für Praxisübernahmeverträge zutage. Das sieht auf den ersten Blick nach einer praktischen und kostengünstigen/kostenfreien Lösung aus. Man braucht schließlich nicht viel mehr als Namen und Adressen einfügen. Doch der Teufel steckt im Detail. “Ein Kollege in meiner Kanzlei hat mal den treffenden Ausspruch formuliert: ‘Ein Muster ist ein Muster. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.’ Ein Muster kann helfen, einen Überblick zu gewinnen über das, was zu regeln ist. Jeder Arzt hat seine individuellen Interessen, die sich aus seiner persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Situation ergeben. Dem müssen die Regelungen des Vertrages gerecht werden”, betont Medizinrechtler Dr. Ströttchen. Ein allgemeiner Entwurf stellt nicht einmal eine geeignete Basis dar. Denn wer hofft, damit wenigstens Beratungskosten einsparen zu können, denkt zu kurz. “Wir sind hier sehr häufig in der Situation, dass Mandanten mit dem ‘Entwurf’ eines Praxiskaufvertrages zu uns kommen, den ein Beteiligter auf Basis eines Musters erarbeitet hat. Fast immer ist es aufwendiger, einen solchen Entwurf anzupassen und im Nachgang die Änderungen durchzusetzen, als von vornherein einen die Interessen des Mandanten berücksichtigenden Entwurf anzufertigen.” Zumal entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte eigene Muster zur Verfügung stellen können.

Die professionelle Aufsetzung eines Praxisübernahmevertrags ist also jedem Käufer anzuraten. Zum Glück verhalten sich die meisten Mediziner entsprechend. “Dass Ärzte Praxen kaufen oder verkaufen, ohne anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, ist äußerst selten geworden”, resümiert Herr Dr. Ströttchen. Und er schildert mir ein eindrückliches Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man sich nicht um einen guten Praxisübernahmevertrag bemüht: “Das begegnet einem immer mal wieder in Fällen, in denen eine häufig bereits geschlossene vertragsärztliche Praxis ohne Personal und manchmal bereits ohne Räumlichkeiten veräußert werden soll. Die Ärzte sprechen dann von einem reinen Zulassungskauf und gehen davon aus, dass hierzu keine besonderen vertraglichen Regelungen notwendig sind. Das kann gut gehen, aber auch furchtbar schief. In einem mir bekannten Fall hatten sich die Ärzte (immerhin) auf einen Musterkaufvertrag geeinigt, der die Zahlung eines Teils des Kaufpreises vor der Sitzung des Zulassungsausschusses vorsah. Dem war der Übernehmer auch nachgekommen. Der Zulassungsausschuss erkannte dann aber, dass es sich um einen reinen Zulassungskauf handelte und lehnte die Übertragung des Versorgungsauftrages ab. Der Übernehmer stand also ohne Zulassung, dafür mit bereits angemieteten neuen Praxisräumen da und hatte einen Teil des Kaufpreises bereits gezahlt. Der Verkäufer verweigerte dann auch noch die Rückzahlung – mit dem fadenscheinigen Argument, der Vertrag sei ja schließlich unwirksam.” Ein fachgerecht formulierter Praxisübernahmevertrag hätte eine Reihe zentraler Fragestellungen aufgegriffen und eine solche Situation verhindert.

Diese entscheidenden Fragen sollte jeder Praxisübernahmevertrag klären

Die Übergabe einer Arztpraxis ist ein ambitioniertes Unterfangen. Ein guter Praxisübernahmevertrag wird dem gerecht, indem er alle relevanten Aspekte behandelt, aber auch kritische Fragen bis zu Ende denkt. Dabei können je nach Facharztrichtung, Größe der Praxis oder Umfang der Ausstattung unterschiedliche Themen im Vordergrund stehen. Darauf weist auch Medizinrechtler Dr. Ströttchen hin: “Bei der klassischen hausärztlichen Praxis kann es von überragender Bedeutung sein, dass die Patienten eingeschlagene Wege weiter verfolgen und dieselbe Türklinke runterdrücken können. Bei einer radiologischen Praxis werden auch die Geräte und ggf. die hoch qualifizierten Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung sein.

Wir wünschen uns, dass Ihnen als Arzt Selbstständigkeit und Praxisübernahme gut gelingen. Aus diesem Grund habe ich gemeinsam mit Herrn Dr. Ströttchen eine Auswahl der aus unserer Sicht wichtigsten Fragestellungen zusammengestellt:

  1. Was genau kauft man? Hier sollte unter anderem eine detaillierte Auflistung über Art und Menge der Gegenstände enthalten sein.
  2. Sind die Kosten für die Praxisübernahme wirklich angemessen? Ist dies Ihre erste Praxis, so werden Sie keine Erfahrungswerte besitzen. Ein Experte für Praxiswertermittlung kann hier eine gute Einschätzung abgeben.
  3. Was passiert, wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Immobilie platzen sollte?
  4. Welche Konditionen haben die Arbeitsverträge der Mitarbeiter, die im Zuge der Praxisübernahme zu Ihnen wechseln? Insbesondere die Kosten sind für Ihre Rentabilitätsplanung entscheidend.
  5. Was passiert, wenn der Zulassungsausschuss Ihnen den Kassensitz wider Erwarten nicht überlassen sollte? Denn nicht immer gelingt es erfolgreich, eine Kassenzulassung zu beantragen.
  6. Wann soll der Kaufpreis entrichtet werden? Bestenfalls besteht zu dem Zeitpunkt bereits Sicherheit darüber, dass Sie den Praxisbetrieb wie geplant aufnehmen können. Auch eine Aufteilung des Gesamtbetrags kann sinnhaft sein.
  7. Wie lässt sich verhindern, dass sich der alte Inhaber nach dem Praxisverkauf in der Nähe erneut niederlässt? Schließlich bestehen immer mehr Planungsbereiche, die nicht mehr gesperrt sind. Auch die Gründung einer Privatarztpraxis durch den Verkäufer kann zur Gefahr werden und Ihnen die wertvollen Selbstzahler sowie Privatpatienten entziehen. Also sollten Sie ein Wettbewerbsverbot für den Praxisabgeber vereinbaren.
  8. Was passiert, wenn der Verkäufer vor der vollständigen Praxisübernahme verstirbt?

Sicherheit dank guter Beratung

Kurzum: Eine Praxisübernahme ohne Rechtsberatung ist riskant und nicht empfehlenswert. Zu komplex ist das Unterfangen, das man außerdem im Regelfall nur einmal im Leben macht. Genau wie bei einem Haus, welches man nicht selbst baut. Hinzu kommt, dass die Praxisübernahme noch komplexer ausfallen kann. “Da muss sich der Übernehmer nicht selten in eine Gemeinschaftspraxis ‘einkaufen’, kauft also letztlich Anteile an einer Gesellschaft und geht mit den weiteren Ärzten einen Gesellschaftsvertrag ein. Immer häufiger sehen wir inzwischen auch Konstellationen, in denen abgebende Ärzte schon Jahre vor dem Ausscheiden einen schrittweisen Übergang vorbereiten wollen. Das kann auch für den Übernehmer attraktiv sein, weil er nicht ins kalte Wasser springt, sondern von der Erfahrung des Abgebers und der Bindung der Patienten an diesen profitieren kann. Die Vertragsgestaltung wird in solchen Fällen natürlich komplexer und erfordert deutlich mehr Weitblick. Auch hier macht es Sinn, sich frühzeitig rechtliche und wirtschaftliche Beratung einzuholen”, so Rechtsanwalt Dr. Ströttchen.

Wenn bei Ihnen eine Praxisübernahme ansteht, denken Sie an diesen Beitrag und wenden Sie sich an Fachleute. Auch wenn Sie andere Rechtsfragen haben – beispielsweise bezüglich der geeigneten Rechtsform Ihres MVZ. Und wenn Sie eine Rundumbetreuung von den ersten Planungen über die Patienten- oder Mitarbeiterakquise bis hin zur Prozessoptimierung wünschen, dann kontaktieren Sie Ärzteglück. Eine erfahrene Fachärztin und Gründerin unterstützt Sie auf dem Weg zur eigenen Praxis. Denn wir wollen, dass Sie Ihren Arztberuf lieben.

Porträtfoto von Rechtsanwalt Dr. Jonathan Ströttchen
Dr. Jonathan Ströttchen ist Fachanwalt für Medizinrecht. Dabei besitzt er einen besonderen Fokus auf das Vertragsarztrecht, das Krankenhausrecht und das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Er ist in der Essener Kanzlei Schmidt, von der Osten & Huber tätig.

Zusammenfassung: 8 wesentliche Punkte, die Ihr Praxisübernahmevertrag unbedingt regeln sollten

  1. Was genau kauft man?
  2. Ist der Kaufpreis wirklich angemessen?
  3. Was passiert, wenn der Mietvertrag mit dem Eigentümer der Immobilie platzen sollte?
  4. Welche Konditionen haben die Arbeitsverträge der Mitarbeiter, welche im Zuge der Praxisübernahme zu Ihnen wechseln?
  5. Was passiert, wenn der Zulassungsausschuss Ihnen den Kassensitz wider Erwarten nicht überlassen sollte?
  6. Wann soll der Kaufpreis entrichtet werden?
  7. Wie lässt sich verhindern, dass sich der alte Inhaber nach dem Praxisverkauf in der Nähe erneut niederlässt?
  8. Was passiert, wenn der Verkäufer vor der vollständigen Praxisübernahme verstirbt?

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Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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