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Niels C. Fleischhauer

Was darf ein Assistenzarzt (nicht)?

Dafür bist du noch nicht alt genug”. Wir alle kennen Sätze wie diese aus unserer Kindheit. Sie bedeuteten zugleich eine enttäuschende Beschränkung, aber auch ein untrügliches Zeichen elterlicher Obhut. Wer nun glaubt, nach Kinderstube, Abitur und Medizinstudium sei man endlich befreit von jeglichen erzieherischen Zwängen, der wird enttäuscht. Während Ihrer Facharztweiterbildung unterliegen Sie gerade im ersten Weiterbildungsjahr einigen fachlichen und rechtlichen Einschränkungen.

David Marhold, Fachanwalt für Medizinrecht, erklärt Ihnen nachfolgend, was ein Assistenzarzt beziehungsweise Arzt in Weiterbildung aus juristischer Sicht (nicht) darf. Sie erfahren weiterhin, warum Sie manchmal eine Tätigkeit gegenüber Ihren Vorgesetzten besser ablehnen sollten. Doch zu diesem Punkt sollen Sie gar nicht erst kommen. Darum verrate ich Ihnen auch, wo Sie eine Klinik finden, die Assistenzärzte nicht in Haftungsfallen laufen lässt.

Facharztstandard – auch ohne Facharzttitel

Darüber, was ein Assistenzarzt darf und was nicht, herrscht unter jungen Medizinern zum Berufsstart große Unsicherheit. Ein Grund dafür könnte die irreführende Bezeichnung “Assistenzarzt” sein. Dies vermutet auch Medizinrechtler Marhold: “Dem Grunde nach ist schon der Begriff Assistenzarzt veraltet, denn er suggeriert, dass der Arzt kein vollwertiger Arzt ist. Das stimmt so nicht. Mit Approbation ist man Arzt.

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Für weitere Unwägbarkeiten sorgt, dass aus rechtlicher Sicht entscheidende Begriffe in einen Topf geworfen werden. “Geschuldet wird im Rahmen der Behandlung der Facharztstandard, nicht aber die Vornahme der Behandlung durch einen Facharzt. Insofern kann ein Arzt in Weiterbildung ohne Probleme Behandlungen übernehmen bzw. können Behandlungen an jenen delegiert werden. Hierbei ist entweder ganz zu Beginn die Anleitung und Kontrolle durch einen Facharzt nötig, im späteren Verlauf der Weiterbildung nicht mehr zwingend”, stellt Rechtsanwalt Marhold klar.

Was man als Arzt in Weiterbildung können soll oder übernehmen darf, lässt sich nicht anhand einer allgemeingültigen Auflistung darstellen. “Das kommt letztendlich auch immer auf die Eingriffsintensität und den Fortschritt der Weiterbildung an. Einen Schnupfen behandelt man anders als eine defekte Mitralklappe bei einem Risikopatienten”, gibt Herr Marhold zu bedenken. Zumindest darf die Aufklärung grundsätzlich an den Weiterbildungsassistenten delegiert werden – “dies allerdings auch nur, wenn der Arzt in Weiterbildung bereits so weit ist, den Patienten in vollem nötigen Umfang aufzuklären”, bekräftigt er. Wir können festhalten, dass Sie als Assistenzarzt praktisch alle Tätigkeiten eines Facharztes vornehmen dürfen – unter der Voraussetzung, dass Ihr Handeln dabei den Qualitätsansprüchen eines Facharztes genügt. 

Haftungsrisiken vermeiden

Kritisch wird es dann, wenn Assistenzärzte Heileingriffe anwenden, für welche sie den Facharztstandard nicht gewährleisten können. “Dies kann schon im Rahmen der Aufklärung des Patienten vorkommen, wenn der Arzt in Weiterbildung nicht befähigt war, die konkrete Aufklärung vorzunehmen. Ohne eine valide Aufklärung ist bereits jeder Heileingriff mangels Einwilligung eine tatbestandliche Körperverletzung. Das eröffnet dem Patienten nicht nur die Anrufung der Staatsanwaltschaft, sondern auch, sich im Rahmen des Zivilprozesses auf einen Behandlungsfehler zu berufen”, warnt Medizinrechtler Marhold. “Übrigens kann sich der Arzt in Weiterbildung dann nicht darauf berufen, er wäre zu der unzulässigen Tätigkeit angewiesen worden”, erklärt er weiter. Sie könnten sich also nicht auf eine Weisungsbindung beziehen. Hinterfragen Sie stattdessen bei jeder (neuen) Tätigkeit, ob Sie diese bereits ausreichend beherrschen.

Dienste bereiten einigen jungen Weiterbildungsassistenten Sorgen. Insbesondere die Angst vor dem ersten Nachtdienst und der damit verbundenen Verantwortung ist unter Assistenzärzten weit verbreitet. Viele Assistenzärzte fühlen sich mit dem Stress alleine gelassen sowie überfordert und fürchten, Fehler zu begehen. Hinzu kommt die Scheu, im Ernstfall den Facharzt der Rufbereitschaft aus dem Hintergrunddienst zu behelligen. Dies führe dazu, berichtet Herr Marhold, dass Assistenzärzte in vielen Fallen “zu spät oder zu zögerlich” den Hintergrunddienst informieren. “Hiervon wird aber in der Regel keiner Notiz nehmen, wenn die Behandlung – vielleicht mit einem Quäntchen Glück – dennoch gelingt.” Haben Sie also keine Scheu. Bedenken Sie, dass Sie im Falle einer möglichen Passivität haften könnten.

Übrigens sollten Sie nicht in Panik geraten, wenn Ihnen einmal jemand während der Weiterbildungszeit eine fehlerhafte Behandlung vorwerfen sollte. Diese Fälle gehen in der Regel gut aus, wie Rechtsanwalt Marhold zu berichten weiß: “In den von mir betreuten Arzthaftungsprozessen sehe ich zwar immer wieder Angriffe gegen die Behandlung durch Ärzte in Weiterbildung, welche aber normalerweise zu entkräften sind, da alle Regularien eingehalten worden sind.

Bevor Sie einen falschen Eindruck bekommen – Weiterbildungsassistenten sind nicht die einzigen, welche im schlimmsten Fall juristisch belangt werden können. “Da der Arzt in Weiterbildung stets – auch im Sinne der Weiterbildungsermächtigung – anzuleiten und auch zu kontrollieren ist, trifft den Arbeitgeber dann eine Haftung, wenn ein sogenanntes Organisationsverschulden vorliegt. Das bedeutet, dass dem Arzt in Weiterbildung wissentlich dessen Fähigkeiten übersteigende Aufgaben delegiert wurden und eine Anleitung/Kontrolle nicht stattfand”, führt Medizinrechtler Marhold an.

Die Behandlung ablehnen

Ihr Arbeitgeber fordert zu viel von Ihnen? Das kann durchaus vorkommen. Zwar darf ein Assistenzarzt grundsätzlich alleine arbeiten; was Assistenzärzte allerdings niemals dürfen, ist, auf sich alleine gestellt zu sein. Ein Abwägen erfordert hier Fingerspitzengefühl. “Ganz wichtig ist Selbstreflexion”, erklärt Rechtsanwalt Marhold – eine Fähigkeit, die zu erlernen ich definitiv zu den wichtigsten Tipps für Assistenzärzte zähle. “Dass man als Arzt in Weiterbildung nicht bereits alle Tätigkeiten des jeweiligen Facharztes beherrschen kann, liegt in der Natur der Weiterbildung. Wenn nun aber ein Arzt in Weiterbildung eine Tätigkeit übernehmen soll, die eindeutig seine Fähigkeiten übersteigt, und hier ggf. noch nicht einmal eine Anleitung/Assistenz vorgesehen ist, dann kann in einer solchen Situation haftungsrechtlich sogar von dem Arzt in Weiterbildung gefordert werden, dass selbiger die Tätigkeit ablehnt, um nicht selbst Ziel eines Straf- oder Zivilverfahrens zu werden.

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Bei der Ablehnung einer Tätigkeit sollten Sie indes taktisch geschickt vorgehen. Dazu rät auch Herr Marhold: “Natürlich ist es, wie in allen täglichen Situationen, so, dass der Ton die Musik macht. Zunächst sollte ich den Diskurs mit meinem Chefarzt wählen, dezidiert darlegen, welche Sorgen ich im Zusammenhang mit der Behandlung habe und versuchen, einen Kompromiss zu finden.” Sollte der Abteilungsleiter uneinsichtig bleiben, können Sie sich im nächsten Schritt an Ihre Personalabteilung oder Geschäftsführung wenden. “Sollte sich eine solche Praxis weiter fortsetzen, wäre dann ggf. externe Hilfe einzuholen oder über einen Wechsel nachzudenken”, empfiehlt Rechtsanwalt Marhold.

Eine Assistenzarztstelle mit guter Weiterbildung finden

Zu den eigenen Schwächen zu stehen, erfordert viel Stärke. Diese Lehre ist äußerst wichtig für Ihre Facharztweiterbildung. Es ist in Ordnung und völlig normal, wenn Sie gerade am Anfang als Assistenzarzt gelegentlich keine Ahnung haben. Kommunizieren Sie dem zuständigen Facharzt/Oberarzt stets offen, wenn Sie bestimmte Tätigkeiten noch nicht ausreichend beherrschen und gegebenenfalls Anleitung benötigen. Sicher, die Zeit der Weiterbildung ist zum Lernen da; doch auch dieser Umstand hat Grenzen – nämlich dann, wenn das Patientenwohl auf dem Spiel steht und Rechtsfolgen drohen.

Am besten ist es, wenn Sie während Ihrer Assistenzarztzeit mittels guter Vorbereitung dafür sorgen, dass es gar nicht so weit kommt. Dabei sollte Sie im Idealfall Ihre Klinik unterstützen. Zwar werden Assistenzärzte in einigen Abteilungen tatsächlich alleine gelassen; doch andere Häuser wiederum kümmern sich gut um den ärztlichen Nachwuchs. Wir wissen, wo Sie eine gute Facharztausbildung bekommen. Alles Weitere verraten wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch. Wir wollen, dass Sie Ihren Arztberuf lieben.

Porträtfoto von David Marhold, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt David Marhold ist Fachanwalt für Medizinrecht. Gemeinsam mit seiner Frau leitet er eine Kanzlei für Medizin-, Arbeits- und Strafrecht in Erfurt. Der Schwerpunkt der beiden liegt auf Leistungserbringern. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Kanzlei-Website.

Über den Autor

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Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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