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Niels C. Fleischhauer

Die Angst, als Arzt zu arbeiten – und wie Assistenzärzte sie erfolgreich überwinden

Das erste Jahr der Facharztweiterbildung kann wie eine Achterbahnfahrt sein, die Sie durch Höhen und Tiefen schickt. Dazu gehören auch jede Menge Ängste, die Assistenzärzte typischerweise haben. Manche davon sind unbegründet; andere wiederum können Sie mit ein paar Kniffen schnell überwinden – wie Sie noch lesen werden.

Dieser Beitrag richtet sich an alle, die Angst haben, als Arzt zu arbeiten. Gemeinsam mit Anästhesist und Kommunikationstrainer Dr. Mark Weinert wollen wir Assistenzärzten helfen, ihre Angst endlich hinter sich zu lassen. Außerdem möchte ich Ihnen jemand an die Hand geben, der Sie dabei unterstützt, angstfrei und glücklich im Arztberuf zu sein.

Die Funktion der Angst

Jeder neue Lebensabschnitt bringt Unsicherheiten mit sich, die sich häufig in Form einer Furcht äußern. Das gilt freilich in besonderem Maße für den Einstieg ins ärztliche Berufsleben. Das Medizinstudium im Allgemeinen und das Praktische Jahr im Speziellen bereiten Sie nicht ausreichend auf den Arztberuf vor.

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Leiden auch Sie unter der Angst, als Arzt zu arbeiten? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Laut einer Studie treibt 72 Prozent der Ärzte die Sorge um, dass Patienten durch Behandlungsfehler zu Schaden kommen. Auf gleiches deuten unsere vielen Gespräche mit jungen Kollegen hin. Dabei scheinen die Ängste von Assistenzärzten umso größer zu werden, je länger man aus der Klinik raus ist – etwa wegen der Elternzeit oder weil man nach der Approbation noch geforscht beziehungsweise promoviert hat.

Jede Emotion hat einen Sinn und ist damit per se nicht negativ”, gibt Kommunikationstrainer Dr. Weinert zu bedenken. “Angst als positives Gefühl zu beschreiben, fällt den meisten Menschen schwer. Dennoch kann Angst eine positive Emotion sein. Sie ist wichtig für Kreativität, weil man Auswege und Lösungen sucht” – nützlich bis lebensrettend in der Medizin.

Bis zu einem gewissen Grad kann es also hilfreich sein, wenn Sie Angst haben, als Arzt zu arbeiten. Wenn diese Furcht jedoch überhand nimmt, erwarten Ärzte schlimmstenfalls ein Burn-out und der Ausstieg aus dem Arztberuf. Das wollen wir gemeinsam verhindern. Aus diesem Grund finden Sie nachfolgend ein paar äußerst wichtige Praxistipps für Assistenzärzte, die unter Ängsten leiden.

Angst vor der großen Verantwortung als Arzt

Schon im ersten Semester ist jedem Medizinstudenten klar: Wenn Fehler passieren, kann ein Patient Schaden nehmen und im schlimmsten Fall sterben. Dementsprechend groß ist die anfängliche Angst vieler Assistenzärzte vor der Übernahme der Verantwortung für das Leben des Patienten.

Verantwortung zu übernehmen, ist eine der Hauptaufgaben, die man als Mediziner:in hat. Vor zu großer Verantwortung Angst zu haben, ist normal. Hätte man die nicht, würde man zu leichtsinnig handeln”, merkt Anästhesist Dr. Weinert an. Die Angst mahnt Sie zur Vorsicht und dem stetigen Hinterfragung Ihrer ärztlichen Kompetenzen. Insofern ist sie ein sinnvoller Begleiter.

Es muss nicht gleich zum Äußersten kommen. So befürchten einige Mediziner, nach einem Behandlungsfehler von Patienten verklagt zu werden. Doch nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen wird von 30 Behandlunsfehlern nur einer entdeckt. Somit ist die tatsächliche Gefahr äußerst gering – von der Nachweisbarkeit des Fehlers vor Gericht ganz zu schweigen.

Zum Glück herrscht in der Medizin keine Start-up-Kultur à la failing forward. Zum Wohle der Gesundheit des Patienten gibt es mehrere “Sicherheitsnetze”. So werden Sie als Weiterbildungsassistent stets von einem Facharzt beaufsichtigt. Gravierende Fehler können hierdurch in aller Regel vermieden und die Angst als Arzt vor Verantwortung sozusagen geteilt werden.

Verantwortliches Handeln ist nicht gleichbedeutend damit, alles richtig zu machen. Manchmal ist es auch besser, gar nichts zu machen, wie Anästhesist Dr. Weinert aus eigener Erfahrung eindrücklich zu berichten weiß: “Die Kunst ist auch zu entscheiden, wann ich etwas ablehne, weil es zu gefährlich ist. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich einen Kollegen in einem Saal ablösen sollte und das Beatmungsgerät nicht kannte. Als ich das dem Oberarzt und dem Kollegen, den ich zur Mittagspause auslösen sollte, sagte, meinte der OA: ‘Der Herr Weinert hätte wohl gerne als Erstes ein Gerätebuch!’ Dann haben beide gelacht und mich mit dem narkotisierten Patienten alleine gelassen. So etwas wäre heute undenkbar.

Klar, Sie sollen lernen. Es werden kleinere, unkritische Dinge schiefgehen – beispielsweise ein Bluterguss nach der Blutentnahme. Das ist aber kein Grund, Angst davor zu haben, als Arzt zu arbeiten; denn schon als Kleinkind haben wir das Laufen gelernt, indem wir hingefallen und wieder aufgestanden sind. Die Phase heißt nicht umsonst “Facharztausbildung”. Durch ständige Wiederholung werden Sie automatisch immer besser werden; und die Angst als Arzt vor der großen Verantwortung wird sich mit der Zeit legen.

Angst vor Überforderung

Viele Assistenzärzte haben Angst, überfordert und dem Stress im Krankenhaus nicht gewachsen zu sein. Sie fürchten, als wenig belastbar von Kollegen belächelt oder sogar noch während der Probezeit in der Assistenzarztstelle gekündigt zu werden. Dies betrifft nicht nur Assistenzärzte zum Berufsstart, sondern in besonderem Maße auch Elternzeit-Rückkehrer. Für sie ist es oftmals eine riesige Umstellung, für mehr als nur einen kleinen Menschen da zu sein. Die Angst, wieder als Arzt zu arbeiten, ist dann besonders groß.

Am Willen zu lernen scheitert es jedenfalls nicht. Immerhin haben Sie erfolgreich ein Medizinstudium absolviert. Das größte Problem ist meistens die Unterbesetzung vieler Abteilungen. Es ist dann schlicht niemand da, der Sie anständig einweist. Häufig verfügen die Oberärzte und erfahrenen Assistenzärzte selbst über keine zeitlichen Reserven für die Ausbildung junger Weiterbildungsassistenten. Klären Sie am besten schon im Vorstellungsgespräch für die Assistenzarztstelle, wie die Einarbeitung konkret ablaufen wird. In der Hospitation können Sie sich das Gehörte anschließend von Ihren zukünftigen Kollegen bestätigen lassen.

Das Wissen, welches Sie schwer nachlesen können, lässt sich zumindest vorübergehend von den erfahrenen Ärzten erfragen. Womöglich können Sie sich auch etwas abschauen. Zur Not gibt es noch die Pflege, welche gerne unterschätzt wird, aber selbst oftmals über einen großen Erfahrungsschatz verfügt.

Ein funktionierendes Zeitmanagement kann eine präventive Maßnahme gegen die drohende Überforderung darstellen. Für diesen Zweck existieren jede Menge Methoden der Priorisierung. Diese helfen Ihnen dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ich selbst schwöre übrigens auf das Eisenhower-Prinzip.

Der Arbeitgeber vernachlässigt durchgehend Ihre Ausbildung? Auch eine effektive Priorisierung hilft Ihnen nicht weiter? Dann wird es Zeit, schwerere Geschütze aufzufahren – auch um das Wohl des Patienten zu schützen. So können Sie sich an den Betriebsrat wenden; ein weiteres Mittel kann die ärztliche Überlastungsanzeige sein, mit der Sie gleichzeitig einer drohenden Haftung vorbeugen können; und wenn alles nichts hilft, bleibt Ihnen als letzter Ausweg der Stellenwechsel.

Angst vor dem ersten ärztlichen Nachtdienst

Wahrscheinlich erinnert sich jeder Arzt an seinen ersten Nachtdienst – aber eher weniger an die diffusen Ängste, welche man im Vorfeld durchlebt hat. Dabei ist die Furcht, auf sich alleine gestellt zu sein, beim näheren Hinsehen unbegründet. Zwar sind Ärzte in der Nachtschicht des öfteren allein; im Hintergrund befindet sich aber immer ein erfahrener ärztlicher Kollege in der Rufbereitschaft.

Assistenzärzte, die Angst vor dem Nachtdienst haben, können einige Vorkehrungen treffen, um nicht in ganz so kaltes Wasser zu springen. So können Sie beispielhaft bei Kollegen mitlaufen, eine Checkliste erstellen oder sich technische Hilfsmittel zulegen. Wenn Sie mehr wissen wollen, lesen Sie am besten diesen Beitrag, der sich nur mit der Angst als Assistenzarzt vor dem ersten Nachtdienst befasst.

Angst vor schwierigen Patienten

Die Kommunikation mit dem Patienten besitzt nachweislich einen bedeutenden Einfluss auf den Behandlungserfolg. Nicht umsonst füllt die Kommunikation mit schwierigen Patienten sogar einen eigenen Abschnitt in der ärztlichen Fachsprachprüfung aus. Alle medizinischen Fachrichtungen bringen ihre eigene Art von Patienten mit sich – inklusive kommunikativer Herausforderungen. Darüber hinaus existieren unter uns Menschen gewisse Persönlichkeitsmerkmale, die eine Behandlung erschweren können. Ob Aggressivität, Beratungsresistenz oder anzügliche Witze – viele junge Mediziner wissen nicht, wie sie sich in vergleichbaren Fällen verhalten sollen.

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Um eines vorwegzunehmen – ungebührliches Verhalten brauchen Sie nicht zu akzeptieren. Wenden Sie sich deswegen am besten direkt an Ihren Vorgesetzten. Deutlich anspruchsvoller ist dagegen die Lösung kommunikativer Konflikte. Kommunikationstrainer Dr. Weinert rät zunächst dazu, sich klarzumachen, dass jeder Mensch vielfältige Seiten in sich trägt: “Gert Kowarowsky schreibt in seinem Buch ‘Der schwierige Patient’, dass jeder Mensch ein Bus voller Persönlichkeiten ist und je nachdem, wer von den vielen Verschiedenen gerade am Steuer sitzt, kommen wir unterschiedlich rüber.” Haben Sie Verständnis dafür, dass Ihr Patient womöglich einen schlechten Tag hat.

Gleichwohl sollten Sie herausfordernde Situationen nicht einfach nur aushalten und dabei abstumpfen. Gerade die Kommunikation ist äußerst fragil und findet überwiegend unbewusst statt. Wir alle besitzen in der Kommunikation unsere ganz individuellen blinden Flecken. Sie zu erkennen und Ihnen aktiv zu begegnen “ist allerdings etwas, das man aus Büchern schlecht lernen kann”, stellt Herr Dr. Weinert fest. Er empfiehlt daher den Besuch von speziellen Kommunikationsseminaren. Auf diesen können Sie den geschickten Umgang mit schwierigen Patienten lernen und in sicherer Umgebung üben.

Den richtigen Arztberuf wählen

Nur ein Bruchteil unserer Ängste wird jemals Realität werden. Außerdem haben wir sie gewissermaßen selbst in der Hand, wie Kommunikationstrainer Dr. Weinert erklärt: “Wenn man sich der eigenen Emotion bewusst ist, kann es schon sehr viel helfen, diese tatsächlich an- oder auszusprechen. Nur dadurch, dass man die Emotion benennt, wird sie schwächer, da sie ihre primäre Funktion, zu warnen, erfüllt hat. Dazu gibt es tatsächlich Untersuchungen mit funktioneller MRT. Der Neurologe, der die Untersuchungen durchgeführt hat, hat sie unter dem Titel ‘Name it to tame it’ zusammengefasst.

Plagen auch Sie als Assistenzarzt bestimmte Ängste? Haben Sie sogar Angst, als Arzt zu arbeiten? Vielleicht wird Ihnen dieser Beitrag helfen. Möglicherweise haben Sie aber auch nur nicht den passenden Arztberuf gewählt. Neben einer anderen Facharztrichtung gibt es mittlerweile auch viele alternative Berufsfelder für Ärzte ohne abgeschlossene Facharztausbildung.

Wir wollen, dass Sie Ihren Arztberuf lieben. Im Coaching von Ärzteglück finden Sie genau den Arztberuf, mit dem Sie dauerhaft glücklich sein können. Dabei unterstützt Sie eine promovierte Kollegin mit mehr als zwölf Jahren Coaching-Erfahrung. Reservieren Sie sich hier Ihren Coaching-Termin.

Porträt von Dr. Mark Weinert
Dr. Mark Weinert ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin. Er verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung im Krankenhaus. Zudem unterstützt er als Kommunikationstrainer Kollegen dabei, den hektischen Berufsalltag zu meistern. Seine jüngste Veröffentlichung ist Der 1-Minuten-Arzt.

Über den Autor

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Niels C. Fleischhauer

Inhaber von Ärzteglück

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